Business Continuity Management

Business Continuity Management ist ein Kreislauf, der Analyse, Strategie, Planung und Übung verbindet. Der Artikel zeigt, wie Organisationen Schritt für Schritt vorgehen – von der Business Impact Analyse über die Entwicklung von Strategien bis zur Erstellung und Erprobung von Business Continuity Plänen. Entscheidend bleibt die individuelle Anpassung: Nur wer den Lifecycle konsequent auf die eigenen Strukturen zuschneidet, erreicht echte Resilienz und spart zugleich Ressourcen.
Inhaltsverzeichnis

Von der Analyse bis zum Test

Business Continuity Management (BCM) ist kein einmaliges Projekt, sondern ein fortlaufender Prozess, der Organisationen widerstandsfähig gegen Krisen und Störungen macht. Zentral ist dabei der Lifecycle-Ansatz, der BCM in klar strukturierte Phasen gliedert. Dieser prozessbezogene Ansatz macht sichtbar, wie ausgehend von den identifizierten Prozessen systematisch ein robustes Kontinuitätsmanagement entsteht.

BCM Lifecycle von NOVELEDGE

Phase 1: Business Impact Analyse und Risikoassessment

Die erste Phase des Business Continuity Management (BCM)-Lifecycles bildet das Fundament für alle nachfolgenden Aktivitäten. In dieser Analysephase werden die geschäftskritischen Prozesse, ihre zeitlichen Toleranzen sowie die abhängigen Ressourcen und Risiken systematisch identifiziert und bewertet. Ziel ist es, ein klares Verständnis dafür zu entwickeln, was im Unternehmen wirklich kritisch ist und welche Faktoren die Aufrechterhaltung des Betriebs gefährden können.

Business Impact Analyse (BIA)

Die Business Impact Analyse ist das Herzstück der ersten Phase. Sie dient dazu, die Auswirkungen einer Prozessunterbrechung auf das Unternehmen zu ermitteln.

Im Mittelpunkt steht die Frage:

„Wie lange kann ein Prozess ausfallen, bevor die Folgen für das Unternehmen untragbar werden?“

Dazu werden Kennwerte wie die Maximum Tolerable Period of Disruption (MTPD) und das Recovery Time Objective (RTO) bestimmt.

Die BIA macht sichtbar, welche Prozesse priorisiert wiederhergestellt werden müssen, um existenzielle, rechtliche, finanzielle oder reputative Schäden zu vermeiden. Gleichzeitig schafft sie Transparenz über Abhängigkeiten zwischen Prozessen und Ressourcen und bildet damit die Grundlage für die spätere Wiederanlaufplanung.

Risk Assessment (RIA)

Auf die BIA folgt das Risk Assessment, das die ermittelten zeitkritischen Ressourcen – wie Personal, Gebäude, IT-Systeme, Lieferanten oder Informationen – näher betrachtet.

Hier steht nicht mehr die Prozesskritikalität, sondern die Verwundbarkeit der Ressourcen im Fokus.

Bewertet werden sowohl interne Risiken (z. B. technische Störungen, Personalausfälle) als auch externe Risiken (z. B. Naturereignisse, politische Instabilität oder Lieferkettenunterbrechungen).

Ziel des Risk Assessments ist es, die wahrscheinlichen Ursachen für potenzielle Betriebsunterbrechungen zu erkennen und präventive sowie reaktive Schutzmaßnahmen zu definieren. Damit wird der Grundstein gelegt für Phase 2 des BCM-Lifecycles: die Entwicklung der Business Continuity Strategie.

BIA Details von NOVELEDGE

Zusammenspiel und Bedeutung

BIA und RIA sind eng miteinander verzahnt:

Während die BIA bestimmt, was kritisch ist und wann reagiert werden muss, zeigt das Risk Assessmentwarum es zu Ausfällen kommen könnte und wie diese vermieden oder minimiert werden können.

Nur das Zusammenspiel beider Analysen ermöglicht eine ganzheitliche Bewertung der organisationalen Resilienz und liefert die notwendigen Entscheidungsgrundlagen für eine wirksame BCM-Strategie.

Phase 2: Entwicklung der Business Continuity Strategie

Auf Grundlage der Ergebnisse von BIA und Risikoassessment wird eine Business Continuity Strategie entwickelt. Sie legt fest, welche Maßnahmen, Kapazitäten und Alternativen erforderlich sind, um zeitkritische Prozesse und Ressourcen im Ernstfall aufrechtzuerhalten oder schnellstmöglich wiederherzustellen.

Im Kern bedeutet das ein Check & Secure:

  • Check: Abgleich zwischen RTO, RTA und MTPD, um sicherzustellen, dass Wiederanlaufzeiten realistisch und machbar sind.
  • Secure: Ableitung von Maßnahmen zur Absicherung der Ressourcen und Prozesse.

Dabei gilt: Strategien müssen stets individuell auf die Organisation zugeschnitten werden. Ein Standardplan passt nie für alle Unternehmen, sondern nur ein Ansatz, der die bereits vorhandenen Strukturen, Kapazitäten und Rahmenbedingungen berücksichtigt.

Die Entwicklung einer Business Continuity Strategie stellt den Kern der zweiten Phase im BCM-Lifecycle dar. Sie bildet die Brücke zwischen der zuvor durchgeführten Analyse (z. B. Business Impact Analysis, Risikoanalyse) und der späteren operativen Umsetzung. Während die Analyse die kritischen Prozesse, Abhängigkeiten und Anforderungen identifiziert, beantwortet die Strategie die Frage „Wie stellen wir die Aufrechterhaltung oder Wiederherstellung sicher?“

Besonders charakteristisch für diese Phase ist die Zweiteilung in sichtbare und nicht-sichtbare Elemente:

Sichtbarer Bereich (oberhalb der Wasseroberfläche): Hierzu zählen die klar formulierten Maßnahmen, Pläne und Handlungsoptionen. Diese sind für alle Beteiligten nachvollziehbar, konkret messbar und häufig dokumentiert (z. B. Alternativstandorte, Notfallarbeitsplätze, Ausweich-IT-Systeme, Lieferantenstrategien).

Nicht-sichtbarer Bereich (unterhalb der Wasseroberfläche): Der überwiegende Teil einer BC-Strategie liegt jedoch im Verborgenen. Dazu gehören die strukturellen, unterstützenden und überwachenden Elemente wie Governance, Verantwortlichkeiten, interne Kontrollmechanismen, Ressourcenallokation oder die Einbettung in das Risikomanagementsystem. Diese Faktoren sind nicht auf den ersten Blick erkennbar, bilden jedoch die Grundlage dafür, dass die sichtbaren Maßnahmen überhaupt funktionieren können.

  • Sichtbarer Bereich (oberhalb der Wasseroberfläche): Hierzu zählen die klar formulierten Maßnahmen, Pläne und Handlungsoptionen. Diese sind für alle Beteiligten nachvollziehbar, konkret messbar und häufig dokumentiert (z. B. Alternativstandorte, Notfallarbeitsplätze, Ausweich-IT-Systeme, Lieferantenstrategien).
  • Nicht-sichtbarer Bereich (unterhalb der Wasseroberfläche): Der überwiegende Teil einer BC-Strategie liegt jedoch im Verborgenen. Dazu gehören die strukturellen, unterstützenden und überwachenden Elemente wie Governance, Verantwortlichkeiten, interne Kontrollmechanismen, Ressourcenallokation oder die Einbettung in das Risikomanagementsystem. Diese Faktoren sind nicht auf den ersten Blick erkennbar, bilden jedoch die Grundlage dafür, dass die sichtbaren Maßnahmen überhaupt funktionieren können.

Die Eisberg-Metapher verdeutlicht dieses Spannungsfeld: Nur ein kleiner Teil der BC-Strategie ist unmittelbar sichtbar, der Großteil der Anforderungen liegt unterhalb der Oberfläche und bleibt oft unbeachtet – obwohl er entscheidend für die Wirksamkeit ist.

Der „rosa Elefant“ im Raum

Eine weitere Herausforderung sind die Faktoren, die zwar allen Beteiligten bekannt sind, jedoch häufig nicht offen angesprochen werden. Dies können ungelöste Zielkonflikte, politische Interessen, Ressourcendefizite oder organisatorische Spannungen sein. Der „rosa Elefant“ steht sinnbildlich für diese hemmenden Einflussfaktoren, die in vielen Organisationen unübersehbar im Raum stehen, jedoch ignoriert werden.

Eine nachhaltige Business Continuity Strategie erfordert daher nicht nur die Berücksichtigung der sichtbaren und unsichtbaren Strukturelemente, sondern auch den mutigen Umgang mit diesen Störfaktoren. Erst wenn sie adressiert und in den strategischen Entwicklungsprozess integriert werden, kann die BC-Strategie ihr volles Potenzial entfalten.

Phase 3: Umsetzung in Business Continuity Plänen

Die erarbeitete Strategie wird nun in konkrete Business Continuity Pläne (BC-Pläne) überführt. Diese umfassen:

  • Recovery Pläne (Wiederherstellung von IT-Systemen, Anwendungen, Daten),
  • Wiederanlaufpläne (schnellstmögliche Rückkehr zum Normalbetrieb),
  • Kommunikationspläne (klare Abläufe für interne und externe Kommunikation im Krisenfall).

Auch hier gilt: Die Pläne müssen zur Organisation passen. Was in einem großen Industrieunternehmen sinnvoll ist, kann in einem mittelständischen Betrieb zu komplex sein. Entscheidend ist die Passgenauigkeit – nur dann sind BC-Pläne im Ernstfall wirksam.

Phase 4: Testen und Üben

Ein Business Continuity Plan (BCP) bleibt Theorie, solange er nicht getestet wurde. Deshalb bildet das Testen und Üben die letzte Phase des BCM-Lifecycles – und gleichzeitig den Übergang in den kontinuierlichen Verbesserungsprozess (PDCA). Ziel ist, die praktische Umsetzbarkeit der Strategien, Pläne und Rollen zu validieren und messbar zu machen, ob die tatsächliche Wiederanlaufzeit (RTA) die Zielzeit (RTO) aus der BIA erreicht. ISO 22301 verankert dafür ein programmatisches Übungs- und Review-Regime mit klaren Anforderungen an Ziele, Szenarien, Durchführung, Berichte und Verbesserungen.  

Was wird getestet?

  • Pläne & Verfahren (8.4): Aktivierungskriterien, Rollen, Kommunikation, Wiederherstellung und Rückkehr in den Normalbetrieb – inklusive Nachweis, dass Tätigkeiten hoher Priorität innerhalb vorgegebener Zeiträume fortgesetzt/wiederhergestellt werden können.  
  • Zeitziele (8.2 BIA): RTO als Vorgabe und RTA als Messergebnis; MTPD, Abhängigkeiten, Ressourcen.  
  • Strategien/Lösungen (8.3): Eignung und Ressourcenunterlegung (Personal, ICT, Standorte, Lieferkette) inkl. Kosten-Nutzen-Abwägung.  

Wann wird getestet?

  • Regelmäßig & anlassbezogen: Übungen/Überprüfungen „in geplanten Abständen“ und bei signifikanten Änderungen (Organisation, Kontext) sowie nach Vorfällen/Aktivierungen. Ergebnisse münden in Verbesserungen (8.5, 8.6, 10).  
  • Leistungsbewertung & Managementreview: Messgrößen festlegen, Ergebnisse bewerten (9.1), intern auditieren (9.2) und in der Managementbewertung (9.3) beschließen: Aktualisierung von BIA, Risikobeurteilung, Strategien und Plänen.  

Wie wird getestet? – Formen, Aufwand & Nutzen (evidenzbasiert)

ISO 22301 fordert ein Übungs- und Überprüfungsprogramm mit geeigneten, zielklaren Szenarien, definierten Zielen und formalisierten Berichten (8.5 a–g). Darauf aufbauend lässt sich folgendes Stufenmodell nutzen; steigender Realitätsgrad = mehr Evidenz für Wirksamkeit/RTA:  

TestformKurzbeschreibungAufwandNutzen/Zielsetzung
Tabletop / WorkshopDiskussionsbasiert; Ablauf, Entscheidungen, Schnittstellen gedanklich durchspielen, Lücken sichtbar machen.niedrig–mittelRollenverständnis, Sensibilisierung, schnelle Lessons Learned.
Simulation / PlanspielRealitätsnahe Injects (Meldungen/Calls) ohne Eingriff in Produktion.mittelEntscheidungs- & Kommunikationsfähigkeit, Lagekoordination.
Technischer FunktionstestRestore/Failover/DR-Runbook; einzelne Wiederanlaufschritte.mittel–hochHarte Evidenz zu RTA↔RTO, technische Machbarkeit.
Live-Exercise / VollübungGeplante Umschaltung/Unterbrechung im Echtbetrieb.hochEnd-to-End-Wirksamkeit unter Realbedingungen, maximaler Lerneffekt.

Dokumentationspflicht: Jede Übung erzeugt Berichte mit Ergebnissen, Empfehlungen und Maßnahmen; die Organisation reagiert darauf (Verbesserungen umsetzen) – Kernforderungen aus 8.5 e–g und 10.1/10.2.

BCP Testing von NOVELEDGE

Warum wird getestet? – Wirksamkeit & PDCA nachweisen

  • Validierung statt Annahmen: Nur Übungen belegen, dass Strategien, Pläne und Ressourcen wirksam sind und Zeitziele erreichbar bleiben (8.5, 8.6).  
  • Kontinuierliche Verbesserung: Ergebnisse fließen in Korrekturmaßnahmen (10.1) und fortlaufende Verbesserung (10.2); Kennzahlen/Messungen steuern die Weiterentwicklung (9.1, 9.3).  

Szenarioableitung (risiko- & BIA-basiert)

Praxisnah leitest du Szenarien aus zeitkritischen Tätigkeiten/Ressourcen (BIA, 8.2.2 f–h) und den wirksamen Risikendarauf (8.2.3 a–c) ab. So entstehen Übungen, die direkt die kritische Wertschöpfung und Abhängigkeiten (z. B. ICT, Lieferkette, Standorte) treffen – exakt im Sinne der Normlogik BIA → Strategie (8.3) → Pläne (8.4) → Üben (8.5).  

Good Practices für Phase 4 (mit ISO-Bezug)

  • Stufenlogik etablieren (Reifegradbasiert): Tabletop → Simulation → Techniktest → Vollübung (8.5 b/d).  
  • Messbar machen: Vorab KPIs/Time-Stamps definieren (RTA-Erfassung), Kriterien für Zielerreichung festlegen (9.1).  
  • Kommunikation testen: Warn-/Kommunikationsverfahren sind Bestandteil des Übungsprogramms (8.4.3 2, letzter Absatz).  
  • Partner/Lieferanten einbeziehen: Fähigkeiten bewerten (8.6 c) – gerade bei Auslagerungen/Lieferkette.  

BCM als kontinuierlicher Prozess

Der BCM-Lifecycle verdeutlicht, dass Business Continuity Management kein einmaliges Projekt ist, sondern ein fortlaufender Kreislauf, der Analyse, Strategie, Planung, Implementierung und Übung miteinander verbindet. Jede dieser Phasen greift ineinander und schafft die Grundlage für Resilienz. Entscheidend ist dabei die individuelle Anpassung: Von der Business Impact Analyse über die Entwicklung der BC-Strategie bis hin zur konkreten Planung und Erprobung. Nur wenn das Management-System auf die spezifischen Rahmenbedingungen und die tatsächliche Realität der Organisation zugeschnitten ist, kann es seinen Zweck erfüllen und Krisen wirksam begegnen.

Besonders in der heutigen Zeit voller Unsicherheiten und unvorhersehbarer Entwicklungen wird deutlich, warum BCM nicht auf einzelne Szenarien oder konkrete Risiken begrenzt bleiben darf. Hier greift die Metapher des schwarzen Schwans: Gemeint sind Ereignisse, die zuvor als nahezu unmöglich oder undenkbar galten – und dann plötzlich und mit massiven Auswirkungen eintreten. Solche schwarzen Schwäne zeigen, dass sich Organisationen nicht ausschließlich auf bekannte Gefahren konzentrieren dürfen. Vielmehr braucht es einen szenario-unabhängigen, fachübergreifenden All-Gefahren-Ansatz („All-Hazards-Approach“), der nicht fragt, ob ein Prozess gestört wird, sondern wann und wie lange.

BCM unterscheidet sich dadurch grundlegend von einem klassischen Risikomanagement-Ansatz: Es setzt nicht primär auf die Wahrscheinlichkeit bestimmter Risiken, sondern darauf, dass kritische Prozesse jederzeit ausfallen können, sei es durch äußere Einflüsse, interne Störungen oder eben durch den „schwarzen Schwan“. Genau darin liegt die besondere Stärke des BCM – es stellt sicher, dass Organisationen robust und widerstandsfähig bleiben, auch wenn das Undenkbare eintritt.

Damit wird klar: BCM ist kein statisches Konstrukt, sondern ein kontinuierlicher, zyklischer Prozess, der regelmäßig überprüft, angepasst und geübt werden muss. Nur so kann eine Organisation mit den permanenten Veränderungen Schritt halten und auf das Unvorhersehbare vorbereitet sein – auch auf den nächsten schwarzen Schwan.


Organisationale Ambidextrie als Herausforderung für ein wirksames Business Continuity Management

Unternehmen sehen sich heute einer Umwelt gegenüber, die von Unsicherheit, Dynamik und Komplexität geprägt ist. Technologische Umbrüche, geopolitische Spannungen, Klimakrisen oder verändertes Konsumverhalten stellen Organisationen vor die Frage: Wie können sie ihr Kerngeschäft zuverlässig sichern und gleichzeitig innovativ bleiben, um auch in Zukunft wettbewerbsfähig zu sein?

Die Antwort darauf findet sich im Konzept der organisationalen Ambidextrie.

Was bedeutet organisationale Ambidextrie?

Der Begriff beschreibt die Fähigkeit einer Organisation, zwei scheinbar widersprüchliche Anforderungen gleichzeitig zu erfüllen:

  • Exploitation: die Optimierung und effiziente Nutzung bestehender Prozesse, Produkte und Strukturen. Sie steht für Stabilität, Zuverlässigkeit und die Sicherung des Kerngeschäfts.
  • Exploration: die Erschließung neuer Märkte, Technologien, Geschäftsmodelle und Fähigkeiten. Sie steht für Innovation, Anpassung und zukunftsorientierte Entwicklung.

Organisationale Ambidextrie ist damit kein „Entweder-oder“, sondern ein „Sowohl-als-auch“. Sie erfordert, dass Unternehmen gleichzeitig stabil und dynamisch sind – ein Spannungsfeld, das gerade für die Einführung und Umsetzung eines Business Continuity Managements (BCM) von zentraler Bedeutung ist.

Die Verbindung zu Business Continuity Management

BCM verfolgt das Ziel, kritische Geschäftsprozesse auch unter widrigen Umständen aufrechtzuerhalten. Klassisch wird es mit Absicherung, Stabilität und Risikominimierung assoziiert, also mit dem Bereich der Exploitation. Doch in der heutigen Zeit reicht Stabilität allein nicht mehr aus. BCM muss Unternehmen auch dazu befähigen, Veränderung und Innovation zu bewältigen, ohne dabei die Resilienz zu gefährden.

Hier zeigt sich die Schnittstelle zur organisationalen Ambidextrie:

  • BCM und Exploitation: BCM sorgt dafür, dass Prozesse, Systeme und Strukturen effizient abgesichert und widerstandsfähig bleiben.
  • BCM und Exploration: BCM schafft die organisatorische Robustheit, die es erlaubt, Neues auszuprobieren, Märkte zu testen und Innovationen umzusetzen – auch im Bewusstsein, dass Unsicherheit und „schwarze Schwäne“ jederzeit auftreten können.

Damit ist BCM nicht nur „Schutzschild“, sondern auch Ermöglicher: Es stützt die Balance zwischen Stabilität und Veränderung.

Praktische Herausforderungen

Die Umsetzung organisationaler Ambidextrie im Kontext von BCM bringt mehrere Herausforderungen mit sich:

  • Ressourcenkonflikte: Während Exploitation klare Strukturen verlangt, braucht Exploration Freiräume und Investitionen. BCM muss beide Seiten koordinieren.
  • Kulturelle Unterschiede: Sicherheit und Regelkonformität auf der einen, Innovationsgeist und Experimentierfreude auf der anderen Seite – beides muss in einer Unternehmenskultur verankert werden.
  • Geschwindigkeit der Anpassung: Märkte, Technologien und Krisenszenarien entwickeln sich schneller, als klassische BCM-Prozesse oft reagieren können. BCM muss daher agiler gedacht werden.

Organisationale Ambidextrie verdeutlicht die doppelte Rolle moderner Unternehmen: Sie müssen ihr Kerngeschäft zuverlässig absichern und gleichzeitig den Mut haben, Neues zu wagen. Für ein wirksames Business Continuity Management bedeutet das, nicht nur Strukturen für Stabilität zu schaffen, sondern auch Rahmenbedingungen für Innovation und Anpassung.

BCM wird so zu einem strategischen Instrument, das Unternehmen befähigt, Exploitation und Exploration in Balance zu halten – und damit die Grundlage für nachhaltige Resilienz in unsicheren Zeiten legt.


Abgrenzung zwischen Business Impact Analyse, Risk Assessment und Informationsklassifizierung

Ein wirksames Business Continuity Management (BCM) erfordert eine klare Trennung zwischen Business Impact Analyse (BIA)Risk Assessment (RIA) und Informationsklassifizierung. Obwohl alle drei Verfahren miteinander verbunden sind, verfolgen sie unterschiedliche Zielsetzungen und Betrachtungsebenen.

Die Business Impact Analyse (BIA) dient dazu, die Kritikalität der Geschäftsprozesse zu identifizieren. Sie beantwortet die Frage, welche Prozesse für die Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs wesentlich sind und innerhalb welcher Zeiträume ein Ausfall tolerierbar bleibt. Dabei werden Parameter wie MTPD (Maximum Tolerable Period of Disruption) und RTO (Recovery Time Objective) definiert.

Das Risk Assessment (RIA) schließt daran an und fokussiert sich auf die zeitkritischen Ressourcen, die für die zuvor identifizierten Prozesse erforderlich sind. Es bewertet die relevanten Risiken – etwa technische Ausfälle, Personalausfälle oder externe Bedrohungen – und legt die Grundlage für Maßnahmen zur Absicherung dieser Ressourcen.

Die Informationsklassifizierung hingegen betrachtet die Informationsobjekte innerhalb der Ressourcen. Hier steht die CIA-Klassifizierung im Vordergrund – also die Bewertung von Confidentiality (Vertraulichkeit)Integrity (Integrität) und Availability (Verfügbarkeit). Diese Analyse bestimmt, wie schützenswert die jeweiligen Informationen sind und welche Schutzmaßnahmen daraus folgen.

BIA von NOVELEDGE

Erst durch die Kombination dieser drei Perspektiven – Prozesskritikalität (BIA), Ressourcenrisiken (RIA) und Informationsschutz (CIA) – entsteht ein ganzheitliches Verständnis der organisatorischen Resilienz.

Dabei zeigen sich bereits an dieser Stelle die Schnittstellen zu anderen Managementsystemen, etwa zur Informationssicherheit (ISMS nach ISO/IEC 27001), zum Risikomanagement (ISO 31000) oder zur Compliance- und Qualitätssteuerung.

Daher sollte die BIA nicht losgelöst von anderen Managementbereichen durchgeführt werden. Vielmehr gilt es, bestehende Strukturen, Analysen und Datenbestände zu nutzen, um Synergien zu schaffen und Doppelarbeit zu vermeiden.

So wird das BCM zu einem integrierten Bestandteil der gesamten Unternehmenssteuerung – und nicht zu einem isolierten Parallelprozess.


Wenn Sie Unterstützung bei der Umsetzung oder Weiterentwicklung Ihres BCM-Lifecycles benötigen, können Sie auf die Expertise unseres Netzwerks zurückgreifen. Gemeinsam entwickeln wir maßgeschneiderte Lösungen – von der Analyse bis zur Übung – und stellen sicher, dass Ihre Organisation optimal vorbereitet ist.

Mit unserem Ansatz „BIA as a Service“ können externe Expert:innen aus dem Netzwerk für Sie die Business Impact Analyse durchführen und die Ergebnisse strukturiert aufbereiten. Diese fließen direkt in Ihre Business Continuity Strategie ein und ermöglichen es, mit geringem internen Aufwand hochwertige und praxisnahe Ergebnisse zu erzielen.

Authors

Christian Horres
Christian Horres

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