Krisenmanagement

Ein strukturiertes Vorgehen ist die Grundlage erfolgreicher Krisenstabsarbeit. Die Lagebesprechung gliedert sich in die Phasen Feststellung, Beurteilung und Entscheidung. Darauf folgt die Arbeitsphase, in der die Maßnahmen umgesetzt und kontrolliert werden. Dieser Regelkreis schafft Klarheit, Transparenz und Flexibilität – und sorgt dafür, dass Krisenstäbe schnell, koordiniert und resilient handeln können. Wissenschaftliche Grundlagen (u. a. BBK, BSI, ISO 22320) und Praxiserfahrungen (z. B. Pandemie, Flut, Stromausfälle) zeigen, dass die konsequente Anwendung dieses Modells die Handlungsfähigkeit in komplexen Lagen maßgeblich erhöht.
Inhaltsverzeichnis

Strukturiertes Vorgehen im Krisenstab: Von der Lagebesprechung zur Umsetzung

Ein professionelles Krisenmanagement lebt von klaren Strukturen, nachvollziehbaren Abläufen und einer zielgerichteten Kommunikation. Besonders in Krisenstäben, die unter Zeitdruck und hoher Unsicherheit arbeiten, entscheidet eine methodische Vorgehensweise über den Erfolg oder das Scheitern von Maßnahmen. Die hier dargestellte Visualisierung zeigt den Ablauf von Lagebesprechung und Arbeitsphase, eingebettet in die grundlegenden Prinzipien von Zielen, Strategien und Prioritäten.

1. Die Lagebesprechung als Herzstück der Krisenstabsarbeit

Die Lagebesprechung ist der zentrale Baustein der Entscheidungsfindung im Krisenstab. Sie ist in drei Phasen gegliedert und entspricht einem systematischen Regelkreis, wie er in zahlreichen Handbüchern und Normen beschrieben wird (vgl. Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe [BBK], 2020; ISO 22320:2018).

Phase 1: Feststellung

Am Beginn steht die Feststellung der Lage. Informationen werden gesammelt, bewertet und priorisiert, um ein gemeinsames Lagebild zu erzeugen.

  • Fragen der Feststellung: Welche Fakten liegen vor? Welche Informationen sind unsicher oder fehlen? Welche Rahmenbedingungen sind zu berücksichtigen?
  • Praxisbeispiel: Nach dem Anschlag auf den Berliner Breitscheidplatz 2016 war es für den Krisenstab der Sicherheitsbehörden entscheidend, binnen Minuten ein belastbares Lagebild zu erstellen, um Koordinierung und Kommunikation steuern zu können.

„Ein belastbares Lagebild ist die Grundlage jeder weiteren Krisenbewältigung. Fehlende oder unklare Informationen erhöhen das Risiko falscher Entscheidungen erheblich“ (BBK, 2020, S. 35).

Phase 2: Beurteilung

In dieser Phase prüft der Krisenstab verschiedene Handlungsoptionen. Dabei werden Vor- und Nachteile abgewogen und mögliche Entwicklungen antizipiert.

  • Antizipation: Hier fließt die Fähigkeit ein, Szenarien zu denken und die Wirkung einzelner Maßnahmen auf zukünftige Entwicklungen zu bewerten.
  • Praxisbeispiel: In der COVID-19-Pandemie standen viele Krisenstäbe vor der Frage, ob eine sofortige Betriebsschließung oder eine gestaffelte Homeoffice-Strategie zielführender sei. Die Beurteilung hing stark von der Dynamik der Infektionszahlen und den politischen Rahmenbedingungen ab.

„Krisenstäbe müssen in Szenarien denken. Nur so können sie Maßnahmen entwickeln, die auch unter Unsicherheit tragfähig sind“ (BSI, 2021, S. 22).

Phase 3: Entscheidung

Auf Basis der Beurteilung wird eine Entscheidung getroffen. Diese verdichtet die Diskussion in eine klare Handlungsrichtung.

  • Zentrale Anforderungen: Entscheidungen müssen dokumentiert, kommuniziert und überprüfbar sein.
  • Praxisbeispiel: In der Flutkatastrophe 2021 im Ahrtal war die Verzögerung bei der Entscheidungsfindung in Teilen der Einsatzleitungen ein kritischer Faktor. Entscheidungen wie Evakuierungen hätten schneller und verbindlicher umgesetzt werden müssen.

„Entscheidungen im Krisenstab sind nicht Selbstzweck, sondern müssen zu einer konsistenten Umsetzung führen“ (ISO 22320:2018).

2. Die Arbeitsphase

Nach der Entscheidung folgt die Umsetzung. Diese Phase ist die eigentliche Arbeitsphase, in der Maßnahmen eingeleitet, gesteuert und überwacht werden.

Phase 4: Die Umsetzung

  • Kontrolle: Die Wirksamkeit der Maßnahmen wird fortlaufend geprüft. Anpassungen fließen zurück in die nächste Lagefeststellung.
  • Praxisbeispiel: Bei großflächigen Stromausfällen (Blackout-Szenarien) zeigt sich, dass die Umsetzung nur dann funktioniert, wenn Prozesse wie Notstromversorgung oder Kommunikationswege vorher erprobt und dokumentiert wurden (vgl. DKKV, 2019).

3. Zusammenspiel von Lagebesprechung und Arbeitsphase

Die Visualisierung macht den zyklischen Charakter der Krisenstabsarbeit deutlich:

  1. Lagefeststellung,
  2. Beurteilung,
  3. Entscheidung,
  4. Umsetzung.

Die Ergebnisse der Umsetzung fließen unmittelbar in die nächste Feststellung zurück. Es entsteht ein kontinuierlicher Regelkreis, vergleichbar mit den Prinzipien des PDCA-Zyklus (Plan–Do–Check–Act), wie er auch in Managementsystemen (z. B. ISO 22301, ISO 27001) verwendet wird.

4. Erfolgsfaktoren für Krisenstäbe

Damit dieses strukturierte Vorgehen funktioniert, sind mehrere Faktoren ausschlaggebend:

  • Rollen- und Aufgabenklärung: Klare Zuständigkeiten im Stab (vgl. BBK, 2020).
  • Disziplin in den Phasen: Keine Vermischung von Diskussion (Phase 2) und Entscheidung (Phase 3).
  • Kommunikation: Präzise, eindeutige Sprache ohne Mehrdeutigkeiten.
  • Transparenz: Jede Entscheidung wird nachvollziehbar dokumentiert.
  • Flexibilität: Anpassungen sind jederzeit möglich, da Lagen hochdynamisch sind.

5. Fazit

Das Modell bietet eine wissenschaftlich fundierte und praxisnahe Orientierung für die Arbeit in Krisenstäben. Es verbindet die Notwendigkeit von Struktur mit der Fähigkeit zur Flexibilität.

Für die Krisenkoordination bedeutet das:

  • Schnelligkeit durch Klarheit,
  • Handlungssicherheit durch Transparenz,
  • Resilienz durch vorausschauendes Denken.

Ein Krisenstab, der dieses Modell konsequent anwendet, schafft die Grundlage für erfolgreiche Krisenbewältigung – von der ersten Lagefeststellung bis zur nachhaltigen Umsetzung.

Quellen:

BBK (Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe). (2020). Handbuch für den Krisenstab. Bonn.

BSI (Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik). (2021). BSI-Standard 200-4: Notfallmanagement. Bonn.

DKKV (Deutsches Komitee Katastrophenvorsorge e. V.). (2019). Lernen aus Katastrophen – Analyse der Stromausfälle in Europa. Bonn.

ISO (International Organization for Standardization). (2018). ISO 22320:2018 – Security and resilience – Emergency management – Guidelines for incident management. Genf.

ISO. (2019). ISO 22301:2019 – Security and resilience – Business continuity management systems – Requirements. Genf.


Weitere Modelle im Krisenmanagement

Krisenmanagement-Modelle lassen sich in mehrere zentrale Funktionsbereiche gliedern, die jeweils unterschiedliche Anforderungen einer Krise adressieren. 

Lifecycle-Modelle strukturieren den gesamten Verlauf einer Krise von der Vorbereitung über die Bewältigung bis zur Rückkehr in den Normalbetrieb.
Führungs- und Entscheidungsmodelleunterstützen die Arbeit im Krisenstab, indem sie klare Abläufe für Lagebewertung, Entscheidungsfindung und Maßnahmensteuerung vorgeben. 
Kommunikationsmodelle fokussieren auf die strukturierte interne und externe Informationsvermittlung während einer Krise. 
Incident- und technische Reaktionsmodelle richten sich auf die systematische Behandlung technischer oder digitaler Störungen und definieren Erkennung, Reaktion und Wiederherstellung.

Diese Kategorien bilden gemeinsam das methodische Fundament für ein professionelles, umfassendes Krisenmanagement.

Lifecycle-Modelle im Krisenmanagement

Lifecycle-Modelle bilden das strukturelle Fundament des Krisenmanagements. Sie ordnen eine Krise in klar definierte Phasen ein und ermöglichen Organisationen, Verantwortlichkeiten, Prozesse und Governance-Anforderungen systematisch zu planen. Durch ihre phasenorientierte Logik unterstützen sie sowohl den strategischen Aufbau eines Krisenmanagementsystems als auch die operative Umsetzung während realer Lagen.

Die folgenden Modelle sind international und national anerkannte Lifecycle-Frameworks.

PPRR-Modell

Das PPRR-Modell (Australian Government, 2011) unterteilt Krisen in vier logische Abschnitte. Jede Phase hat einen eigenen Zweck und beschreibt, welche organisatorischen, strukturellen und operativen Aktivitäten dort erfolgen müssen.

Phasen:

Prevent (Prävention) beschreibt alle Maßnahmen, die darauf abzielen, die Eintrittswahrscheinlichkeit oder Wirkungsintensität einer Krise zu reduzieren. Dazu gehören Gefahrenanalysen, bauliche Prävention, technische Schutzmaßnahmen, organisatorische Kontrollen und Risikobehandlung. Ziel ist es, bekannte Risiken systematisch zu mindern oder zu eliminieren.

Prepare (Vorbereitung) umfasst alle Tätigkeiten, die notwendig sind, um eine Organisation auf den Krisenfall vorzubereiten. Dazu zählen die Erstellung von Plänen, die Definition von Rollen, Training, Übungen, Kommunikationsstrukturen und Ressourcenaufbau. Diese Phase stellt die Einsatzbereitschaft sicher und schafft die Voraussetzungen für eine wirksame Reaktion.

Respond (Reaktion) beschreibt die strukturierte Bewältigung einer eingetretenen Krise. Hierzu gehören Lagebewertungen, Koordination, Entscheidungsprozesse, Krisenkommunikation und operative Maßnahmen zur Schadensbegrenzung. Diese Phase adressiert die tatsächliche Handlungsfähigkeit während einer Störung oder Bedrohung.

Recover (Wiederherstellung) konzentriert sich auf die Rückkehr in geordnete Betriebsabläufe. Dazu gehören Wiederanlaufprozesse, Wiederherstellung geschädigter Ressourcen, Lessons Learned sowie Maßnahmen für eine schrittweise Normalisierung.

Der Nutzen des PPRR-Modells liegt in seiner klaren, leicht verständlichen Struktur, die den gesamten Krisenzyklus abbildet. Organisationen können damit Notfall- und Krisenhandbücher entwickeln, kontinuierliche Verbesserungen etablieren und sich durch klare Verantwortlichkeiten in allen Phasen stabil aufstellen.
Governance-relevant ist die eindeutige Zuweisung von Verantwortlichkeiten und Kompetenzen. PPRR ermöglicht die klare Trennung zwischen präventiven Rollen (z. B. Risikomanagement), vorbereitenden Rollen (z. B. BCM, Stabsarbeit), operativen Rollen während der Krise und Funktionen, die für die Wiederherstellung verantwortlich sind. Außerdem unterstützt das Modell die Entwicklung verbindlicher Richtlinien und Compliance-Strukturen.
Organisationen nutzen PPRR in Business-Continuity-Programmen, Notfallhandbüchern, Risikoanalysen und Trainingskonzepten. Die Logik eignet sich für Übungen, die Entwicklung von Alarmierungsabläufen und die Strukturierung von Wiederanlaufplänen.

Ein Vorteil des Modells ist seine Übersichtlichkeit und die vollständige Abdeckung eines Krisenverlaufs. Zudem ist es branchenübergreifend anwendbar und international verbreitet.

Ein Nachteil ist die geringe Ausgestaltung der operativen Entscheidungsmechanismen während der Reaktion. Die Phase „Recover“ ist relativ offen gehalten und erfordert häufig ergänzende Detailmodelle

4R-Modell

Das 4R-Modell der FEMA (2015) verbindet klassische Krisenphasen mit einer stärkeren Betonung der Resilienzorientierung.

Phasen:

Reduction (Risikominderung) beschreibt alle präventiven Maßnahmen, die darauf ausgerichtet sind, Risiken zu verringern oder deren Auswirkungen zu minimieren. Dies umfasst bauliche Schutzmaßnahmen, strukturelle Risikobehandlung und strategische Resilienzplanung.

Readiness (Bereitschaft) bezieht sich auf alle organisatorischen Vorbereitungsprozesse. Dazu zählen Trainings, Übungen, Planentwicklung, Kapazitätsaufbau und das Schaffen funktionsfähiger Koordinationsmechanismen.

Response (Reaktion) deckt die operative Bewältigung einer Störung ab. Die Phase umfasst Lagefeststellung, Entscheidungsprozesse, Koordination mehrerer Fachbereiche und den Einsatz vorhandener Ressourcen.

Recovery (Wiederherstellung) beschreibt die systematische Rückkehr in den Regelbetrieb. Dazu gehören Infrastrukturreparaturen, Wiederanlaufprozesse, psychologische Unterstützung und organisatorische Anpassungen.

Der Nutzen des Modells liegt in seiner starken Ausrichtung auf Resilienz. Es verbindet Risikominderung und Vorbereitung eng miteinander und ermöglicht dadurch eine integrierte Betrachtung aller organisatorischen Schutzmaßnahmen.
Governance-seitig integriert das Modell Risikomanagement, Sicherheitsmanagement und Business Continuity in ein gemeinsames Rahmenwerk. Verantwortlichkeiten erstrecken sich von strategischen Risikoreduktionszielen über operative Trainingsanforderungen bis zu Wiederherstellungsprozessen.
Das Modell wird in Unternehmen häufig genutzt, um Risikopolitik, BCM-Vorgaben, Präventionsprogramme und Wiederherstellungslogiken miteinander zu harmonisieren.

Ein Vorteil ist die starke Resilienzperspektive, die viele andere Modelle nicht in dieser Klarheit abbilden. Es ist zudem gut mit bestehenden Governance-Systemen kombinierbar.

Eine Nachteil ist, dass einzelne Phasen in der Literatur unterschiedlich definiert werden, insbesondere die Phase „Reduction“. Auch die operative Tiefe ist geringer als bei taktischen Modellen.

FEMA Crisis Cycle

Der FEMA Crisis Cycle (FEMA, 2016) ist der verbindliche Krisenstandard der Vereinigten Staaten und gliedert den Krisenverlauf in Schadensminderung, Vorbereitung, Reaktion und Wiederherstellung.

Phasen:

Mitigation (Schadensminderung) konzentriert sich darauf, zukünftige Krisenfolgen zu verringern. Dazu gehören Risikoanalysen, bauliche Abwehrmaßnahmen und strategische Schutzkonzepte.

Preparedness (Vorbereitung) umfasst die organisatorische und technische Vorbereitung auf eine Krise, einschließlich Training, Übungen, Ressourcenplanung und Kommunikationsstrukturen.

Response (Reaktion) beinhaltet alle operativen Maßnahmen während einer Störung, darunter Krisenstabsarbeit, Entscheidungsprozesse, Kommunikation und Einsatzkoordination.

Recovery (Wiederaufbau) beschreibt die Wiederherstellung und Normalisierung nach einer Krise, einschließlich Reparaturen, Wiederanlaufprozessen und institutionellen Lernprozessen.

Der Nutzen dieses Modells liegt darin, dass der FEMA-Zyklus eine international klar nachvollziehbare Struktur bereitstellt, die sowohl staatliche Akteure als auch Unternehmen in komplexen Krisenszenarien orientiert. Er erleichtert die Koordination zwischen Organisationen und schafft einen einheitlichen Rahmen für Vorbereitung, Einsatzführung und Wiederherstellung. Darüber hinaus erhöht das Modell die Anschlussfähigkeit an Risikomanagement- und Resilienzstrategien, da sämtliche Phasen in einen übergeordneten Gesamtkontext eingebettet sind.
Governance-seitig bietet der FEMA Crisis Cycle klare Vorgaben für Rollen, Verantwortlichkeiten, Kooperationsmechanismen und Berichtspflichten. Dies stärkt insbesondere die interorganisationalen Abstimmungsprozesse und sorgt dafür, dass Unternehmen und Behörden auf gemeinsamen Strukturen aufbauen. Damit wird die Zusammenarbeit in länder- oder organisationsübergreifenden Krisen wesentlich erleichtert.
In der Praxis wird der FEMA-Zyklus vor allem für Krisenhandbücher, Gefahrenabwehrpläne, Notfallpläne, Übungen und Abstimmungen mit Behörden genutzt. Er dient häufig als Rahmenwerk für die Entwicklung standardisierter Abläufe und für koordinierte Einsatzstrukturen in komplexen Krisenlagen.

Ein Vorteil des Modells besteht in seiner klaren, international verständlichen Struktur, die sich leicht auf verschiedene Organisationstypen übertragen lässt. Ein weiterer Vorteil ist die starke institutionelle Verankerung in Behörden und großen Organisationen, was die Zusammenarbeit über Grenzen hinweg erleichtert.

Ein Nachteil ergibt sich aus seiner starken Ausrichtung auf staatliche Mechanismen, wodurch Unternehmen das Modell teilweise anpassen müssen, um betriebliche Besonderheiten abzubilden.

BSI-Notfallmanagement Modell

Der BSI-Standard 200-4 (2022) definiert vier Phasen: Vorsorge, Reaktion, Wiederanlauf und Normalbetrieb. Das Modell richtet sich speziell an deutsche Unternehmen und Behörden und ist eng an Informationssicherheits- und BCM-Anforderungen gekoppelt.

Phasen:

Vorsorge umfasst Risikoanalysen, Notfallplanungen, Schutzmaßnahmen, Rollenfestlegungen und organisatorische Vorbereitungen. Ziel ist es, Störungen und Auswirkungen zu reduzieren und Bereitschaft herzustellen.

Reaktion beschreibt die aktive Krisenbewältigung durch Stabsarbeit, Lagebewertung, Kommunikation und Schadensminimierung.

Wiederanlauf umfasst die geordnete Wiederherstellung betroffener Prozesse, Systeme und Ressourcen.

Normalbetrieb bezeichnet die vollständige Rückkehr in reguläre Betriebszustände und die Nachbereitung.

Der Nutzen dieses Modells liegt in seiner hohen regulatorischen Anschlussfähigkeit und in der klaren Strukturierung von Abläufen, Rollen und Berichtslinien. Es eignet sich besonders für Organisationen, die Anforderungen wie KRITIS, NIS2, Datenschutz oder ISO-basierte Managementsysteme erfüllen müssen. Durch seine starke Ausrichtung auf Nachvollziehbarkeit, Dokumentation und Prüfbarkeit bietet es einen stabilen Rahmen für auditierbare und belastbare Notfall- und Krisenstrukturen.
Governance-relevant sind insbesondere die klaren Verantwortlichkeiten, die der Standard definiert, etwa für Notfallmanager, Business-Continuity-Verantwortliche oder Führungskräfte im Krisenfall. Der Standard fordert dokumentierte Prozesse, regelmäßige Reviews, definierte Reporting-Strukturen und eine verpflichtende kontinuierliche Verbesserung. Dadurch entsteht ein systematischer Governance-Rahmen, der sowohl interne Sicherheit als auch externe Prüfbarkeit gewährleistet.
In der praktischen Anwendung bildet das Modell die Grundlage für Notfallhandbücher, Wiederanlaufpläne, Krisenrichtlinien, interne Regelwerke sowie die Integration von Notfall- und BCM-Strukturen in bestehende Managementsysteme. Es wird zudem häufig für Audits, Reifegradbewertungen und regulatorisch geforderte Nachweise verwendet.

Ein Vorteil des Modells besteht in seiner hohen Strukturqualität, die eine verlässliche, prüffähige und governance-konforme Umsetzung ermöglicht. Darüber hinaus ist es speziell an deutsche Rahmenbedingungen angepasst, was die Integration in Unternehmens- und Behördenkontexte erleichtert.

Ein Nachteil ist der vergleichsweise hohe Dokumentationsaufwand, der besonders für kleinere Organisationen ressourcenintensiv sein kann. Zudem bildet das Modell operative Entscheidungsprozesse weniger detailliert ab, sodass ergänzende Führungsmodelle für die eigentliche Krisenarbeit notwendig sind.

Quellen:

Australian Government. (2011). Emergency management in Australia. Attorney-General’s Department.

Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik. (2022). BSI-Standard 200-4: Notfallmanagement – Community Draft. BSI.

Federal Emergency Management Agency. (2015). National preparedness goal (2nd ed.). U.S. Department of Homeland Security.

Federal Emergency Management Agency. (2016). National response framework (3rd ed.). U.S. Department of Homeland Security.

Führungs- und Entscheidungsmodelle im Krisenmanagement

Führungs- und Entscheidungsmodelle beschreiben, wie ein Krisenstab arbeitet, Entscheidungen trifft, Informationen verarbeitet und Maßnahmen steuert. Sie sind damit das operative Herz des Krisenmanagements. Während Lifecycle-Modelle den gesamten Verlauf einer Krise strukturieren, konzentrieren sich Führungs- und Entscheidungsmodelle auf die konkrete Arbeitsweise während der Krise: Lagebewertung, Entscheidungsfindung, Koordination, Kommunikation und Umsetzung. Sie sorgen dafür, dass Krisenstäbe schnell, kohärent und belastbar agieren können, insbesondere unter Zeitdruck, Unsicherheit und hoher Komplexität.

RACER-Modell

Das RACER-Modell (International SOS & Control Risks, 2020) beschreibt einen strukturierten Ablauf, nach dem Krisenstäbe Informationen aufnehmen, bewerten, sich formieren, Entscheidungen treffen und die Lage auflösen. In der Phase Report werden eingehende Meldungen, Signale oder Indikatoren gesammelt. Assess umfasst die strukturierte Lagebewertung, Risikoeinschätzung und Priorisierung. In der Phase Convene wird der Krisenstab aktiviert und arbeitsfähig gemacht. Execute beschreibt die Umsetzung der Entscheidungen einschließlich Kommunikation. Resolveadressiert die Rückführung in eine Lage ohne Krisenmodus und die anschließende Nachbereitung.

Phasen:

Report – In dieser Phase werden alle relevanten Informationen, Meldungen, Sensorwerte, Störungen oder externen Hinweise entgegengenommen. Ziel ist es, ein erstes, möglichst vollständiges Bild der wahrgenommenen Lage zu erhalten. Diese Phase umfasst das Sammeln von Statusinformationen, Alarmierungen, Eskalationsmeldungen oder automatisierten technischen Signalen.

Assess – Hier erfolgt die initiale Lagebewertung. Der Krisenstab oder die initial verantwortliche Person beurteilt, welche Bedeutung das Ereignis hat, welche Risiken bestehen, welche Auswirkungen absehbar sind und ob eine Aktivierung des Krisenstabs notwendig ist. Diese Phase beinhaltet Risikoabschätzung, Priorisierung und Ableitung eines ersten Lagebildes.

Convene – In dieser Phase wird der Krisenstab formal aktiviert. Die notwendigen Personen werden einberufen, Rollen werden vergeben und Kommunikationskanäle eingerichtet. Dies umfasst die operative Herstellung der Arbeitsfähigkeit des Stabs: Raumöffnung, digitale Systeme, Kommunikationsmittel, Einwahl und Rollenklärung.

Execute – Hier erfolgt die eigentliche Krisenarbeit. Entscheidungen werden getroffen, Maßnahmen umgesetzt, Kommunikationswege aktiviert, Ressourcen koordiniert und operative Schritte eingeleitet. Die Phase umfasst alle taktischen und strategischen Handlungen sowie die kontinuierliche Lagefortschreibung.

Resolve – Diese Phase beschreibt die Rückführung aus dem Krisenmodus. Dazu gehören Wiederherstellungsschritte, Rückkehr in reguläre Abläufe, Übergabe an Linienorganisationen und Durchführung von Nachbereitung, Lessons Learned und Dokumentation.

Der Nutzen des RACER-Modells liegt in seiner klaren Sequenz und der schnellen Anwendbarkeit. Die Phasen erzeugen eine logische Struktur, die sowohl in kleinen als auch großen Organisationen unmittelbar funktioniert und einen stabilen Arbeitsrhythmus ermöglicht. Governance-seitig schafft RACER prüfbare Verantwortlichkeitspunkte, klare Auslöser für Stabseinberufung und nachvollziehbare Entscheidungswege. Jede Phase erzeugt dokumentierbare Outputs, die auch im Nachgang rechtlich und organisatorisch belastbar sind. In der Praxis eignet sich RACER besonders für operative Krisensitzungen, schnelle Lagebewertungen, frühe Aktivierungsentscheidungen und die initiale Koordination in unübersichtlichen Szenarien.

Ein Vorteil ist die hohe Einfachheit und der geringe Implementierungsaufwand. Ein weiterer Vorteil ist die universelle Verständlichkeit.
Ein Nachteil liegt darin, dass das Modell nur begrenzt komplexe Entscheidungsarchitekturen abbildet und bei umfangreichen Stäben ergänzt werden sollte.



Für Organisationen, die ihre Krisenstabsarbeit professionalisieren möchten, bietet unser Netzwerk für Sicherheit und Resilienz gezielte Unterstützung:

  • Planung und Durchführung realitätsnaher Krisenübungen (inkl. Szenarien, Wenn-Dann-Entscheidungen, Rollenzuweisung).
  • Begleitung im Krisenmanagement – von der Aufbauorganisation bis zur Lagekommunikation.
  • Bedarfsgerechte Unterstützung bei der Entwicklung strukturierter Abläufe, Entscheidungsprozesse und Dokumentation.

Wenn Sie Interesse an praxisnahen Übungen oder an einer Weiterentwicklung Ihrer Krisenstabsarbeit haben, sprechen Sie uns gerne an. Gemeinsam schaffen wir robuste Strukturen, die im Ernstfall tragen.

Authors

Christian Horres
Christian Horres

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